10. März 2021

Ruth Cerha Biografie

Ruth Cerha ist Schriftstellerin, Musikerin und Komponistin; sie bezieht Bildnerisches in ihre Arbeiten mit ein, beschäftigt sich mit Tanzformen, freier Improvisation und realisiert Performanceprojekte. Sie unterrichtet Klavier und Stimme, hält Kurse in Creative Writing und lebt als freie Autorin in Wien.

Sie wurde 1963 in Wien geboren. Ihre Kindheit war geprägt vom kulturellen Umfeld ihrer Eltern. Im Alter von vier Jahren begann ihre musikalische Ausbildung. Sie erhielt Unterricht in Klavier, Violine, Querflöte und Tonsatz und maturierte am Wiener Musikgymnasium. Nach einem Psychologiestudium an der Universität Wien wandte sie sich wieder der Musik zu, machte eine Ausbildung zur Tontechnikerin an der SAE Wien und arbeitete mit verschiedenen Bands. Sie nahm Gesangsunterricht, schrieb Songs mit eigenen Texten, komponierte fürs Theater und beteiligte sich an interdisziplinären Kunstprojekten, parallel begann sie als selbstständige Klavier- und Gesangspädagogin zu arbeiten.

Mit dem Schreiben von Prosa begann sie 2004. In nur neun Monaten entstand der Erzählband Der Gesang der Räder in den Schienen (erschienen 2007 im Wiener Luftschacht Verlag), Geschichten von Menschen in Umbruchsituationen. Ruth Cerha sagte über dieses Buch, dass diese Geschichten schon viele Jahre in ihr gewohnt hätten, bevor sie ihren Weg aufs Papier fanden. Es folgten die Romane Kopf aus den Wolken (Eichborn 2010), Zehntelbrüder (Eichborn 2012) und Bora. Eine Geschichte vom Wind (Frankfurter Verlagsanstalt 2015) sowie ihr letzter Roman Traumrakete (Frankfurter Verlagsanstalt 2018). Über ihre musikalische und schriftstellerische Arbeit erzählt sie im Filmessay „Universum Cerha“ (Wolfgang Bledl/Aktionsradius Wien, 2021).
Weitere Infos: www.ruthcerha.com

„my body is a moving field“ Ruth Cerha Tanz | Petra Rautenstrauch Fotografie

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Ruth Cerha Literarische Prosa

„Es ist die Sprache, die zuerst aufmerken lässt. Ruth Cerha, ausgebildete Musikerin,
hat ein feines Gefühl für Rhythmus. Die Erzählhaltung changiert zwischen realistischer Beschreibung und Unwirklichkeit, zwischen Erinnerung und Traum.“

Carola Ebeling, taz

„Die Züge fuhren vorbei, das Haus vibrierte, die Sonne schien, es wurde heißer und heißer. Ich aß wenig, ging selten aus, ging niemals zweimal in dieselbe Kneipe, wechselte auch die Geschäfte, in denen ich einkaufte, ich wollte nicht anfangen, mich irgendwo zu Hause zu fühlen. Dennoch konnte ich nicht verhindern, dass mir mit der Zeit manches zu einer Art Heimat wurde: der leichte Geruch nach Urin und feuchtem Mauerwerk, bestimmte Flecken an der Wand über der Matratze, der Geschmack von Beaujolais, der Blick aus dem Fenster mit dem ewig blauen, von den Oberleitungen zerschnittenen Himmel, der Gesang der Räder in den Schienen. Sprich mit mir, sangen sie, sprich mit mir, sprich mit mir, aber niemand sprach.“

Der Gesang der Räder in den Schienen. Erzählungen.
Luftschacht, 2007

„Die Tasche packen. In die Dschungelschuhe schlüpfen, in den Zug steigen oder ins Flugzeug. Sitzen und die Augen geschlossen halten. Es ist die einzige Macht, die ich kenne: zu verschwinden.“

Kopf aus den Wolken. Roman.
Eichborn, 2010

„Meine Familie ähnelte eher einem Wok-Gericht. Man schmiss einfach hinein, was man gerade zuhause hatte, und von dem, was man nicht zuhause hatte, behauptete man, es gehöre gar nicht hinein. Aber wenn die Sojasauce fehlte, dann war das ein Mangel. Und es blieb einer.“

Zehntelbrüder. Roman.
Eichborn, 2012/ FVA 2018

„Ein Teil von mir wollte für immer dort bleiben, in der Geborgenheit der Nacht, zwischen den launischen Böen, den immer wieder von Neuem aufbrausenden Regengüssen, den unbefangenen Fragen. Ein anderer Teil jedoch eilte mir voraus, in den Tag, die klare Luft, das gleißende Sonnenlicht, das alle dunklen Ecken ausleuchten und scharfe Schatten werfen würde.“

Bora. Eine Geschichte vom Wind. Roman.
FVA 2015

„Weit entfernt, am Horizont, die schimmernde Skyline einer Stadt in sanftem Blau. Sie macht ihn sehnsüchtig, diese Stadt, zieht ihn körperlich an, so stark, dass er das Gefühl hat, mit einem einzigen großen Schritt den Canyon überqueren zu können. Doch er fürchtet auch, zu fallen, wagt den Schritt nicht, kann sich nicht entschließen. Lange steht er so da, ewig, wie ihm scheint, während seine Angst vor der Tiefe und die Sehnsucht an ihm zerren und die Skyline der Stadt nach und nach mit dem Himmel verschmilzt.“

Traumrakete. Roman.
FVA 2018

Auszug aus der Lesung „Rembrandt“

Ein Maler, der nur nachts arbeiten kann, lernt im Bus eine Frau kennen, die ihn nicht mehr loslässt. Ihre gemeinsamen Busfahrten bringen etwas in ihm ins Rollen, das ihn und seine Malerei verändern wird. Erschienen in meinem Debut „Der Gesang der Räder in den Schienen“, Luftschacht 2007.

Fotoarbeiten aus dem Zyklus „structures“

Strukturen faszinieren mich seit jeher, sowohl die von Oberflächen als auch jene, aus denen alles – sichtbar oder unsichtbar – aufgebaut ist. Manchmal entstehen sie zufällig, ob in der Natur oder am Straßenrand, aber stets zeigen sie sowohl die Bewegung alles Existierenden hin zum Chaos als auch die Tendenz des menschlichen Auges und Geistes, dieses zu ordnen. Das Fotografieren ist für mich eine Schulung meiner Wahrnehmung im täglichen Leben und gleichzeitig eine Möglichkeit, meine Vorstellungswelt mit der mich umgebenden Realität zu verbinden.

5 Gedichte aus „A5POETRY“

Die Form dieser Gedichte entstand durch spontanes notieren in ein A5-Heft ohne jegliche Absätze und Satzzeichen. Dieser Schreibfluss erzeugte spezielle Rhythmen, die mich faszinierten und denen ich folgte.

Lesung von 5 Gedichten aus dem Zyklus „A5POETRY“ im Aktionsradius Wien vom 2.2.2021 im Rahmen der Ausstellungseröffnung „Universum Cerha“. Umrahmt wurde die Lesung von den beiden Gedichtvertonungen „Das große Jahr“ und „Der Kopf im Körper“.

Das Manuskript öffnet auf Klick in der Lightbox.

Das Manuskript öffnet auf Klick in der Lightbox.

5 Gedichte aus „A5POETRY“

Die Form dieser Gedichte entstand durch spontanes notieren in ein A5-Heft ohne jegliche Absätze und Satzzeichen. 
Dieser Schreibfluss erzeugte spezielle Rhythmen, die mich faszinierten und denen ich folgte.

Das große Jahr.

Der Kopf im Körper.

Film-Essay Keep On Moving

Meine beiden wunderbaren Kinder Niko und Lana.

Zeichnungen aus dem Zyklus „every line is a movement, every movement is a line“

Jeder schöpferische Impuls braucht einen Körper, um sich auszudrücken. Wenn man von dessen Befindlichkeit ausgeht, wird in diesem Ausdruck nicht nur der Mensch als Ganzheit erleb- und sichtbar, sondern auch seine Verbindung zur Welt, die ihn umgibt. Über den Strich meines Bleistifts in die Dinge und Lebewesen einzudringen und sie mit meinem Körper unmittelbar nachzuvollziehen, hat mir einen neuen Zugang zum bildnerischen Arbeiten eröffnet.

„Prozess“ stammt aus dem Zyklus „Wortgrafiken“, in dem ich Begriffe, die mich gerade beschäftigten, als Ausgangspunkt nahm und sie erforschte, indem ich Texte in spontaner Assoziation grafisch aufs Papier brachte. Im bildnerische Aspekt zeigt sich dabei der Bedeutungsraum des Begriffs und mein Verhältnis zu ihm.